
Abenteuerliche Sturzfahrt auf dem Sun Kosi in Nepal

Fernab jeder Straße strömt der Sun Kosi durch den Urwald, parallel zu den höchsten Gipfeln der Welt. Der mit glitzernden Sedimenten durchsetzte Fluss mäandert in riesigen wuchtigen Schwällen in die indische Tiefebene hinunter. Helle Mondscheinnächte und traumhafte Übernachtungsplätze mit Sandstränden werden uns auf 320 Flusskilometer erwarten. Uns empfängt ein wuchtig dahin fließender Fluss, dessen Schwierigkeiten den vierten Grad nicht überschreiten werden.
Einstieg: Von Kathmandu fährt man mit einem Leihwagen an Bhaktapur vorbei bis nach
Dololghat. An der Einstiegsstelle überquert die Straße den Sun- Kosi. Die Schwierigkeiten lassen sich der folgenden Karte entnehmen :

Erlebnisbericht der Befahrung

Mittlerweile müssen wir ungefähr 70 km auf dem Sun Kosi zurückgelegt haben. Durch den Zufluss des Tama Kosi hat der Fluss an Breite und an Strömungsgeschwindigkeit deutlich zugenommen. Ich bin froh, dass unser Gepäck auf den begleitenden Rafts untergebracht worden ist und sich nicht in meinem kleinen Kajak befindet. Schon jetzt lassen die Wassermassen den Kajak in den Rapids teicheln. Die Befahrung eines wuchtigen Rapids erfolgt immer nach dem gleichen Ablaufmuster. Von der wasserreichen Außenkurve versuchen wir die wasserärmere Innenkurve zu erreichen. Doch vorher müssen die hohen Wellen und Brecher in der Flussmitte gekreuzt werden. Der Kajak klettert die meterhohen Wellenberge hinauf und hinab. Ab und zu überschlägt sich ein Wellenkamm und nötigt den Paddler zu einem tiefen Stützen. Bei diesen Wassermassen muss die Eskimorolle sitzen. Schwimmend kann man das Ufer sonst nur mit Hilfe der Kameraden erreichen. Aber am ungewöhnlichsten sind die Kehrwassergrenzen. Hier wird der Paddler von Pilzen, Strudeln und „kochendem Wasser“ erwartet- und manchmal wie von einem Katapult förmlich abgeschossen. Es ist das Jahr des El Ninjos, der zu ungewöhnlich starken Hochwassern in Indien und Bangladesch geführt hat. Das Wasser kommt aus dem Himalaya und der Sun Kosi trägt mit seinen wasserreichen Nebenflüssen erheblich hierzu bei. In den von den Nepalis gesteuerten Rafts verbreitet sich eine immer größer werdende Unruhe. „Look, there is a new big rapid !“ so rufen sie uns zu. Wir sind mittlerweile ein Team geworden. Diese lustigen, immer für einen Scherz bereiten liebevollen Menschen sind mir, Norbert und Helmut ans Herz gewachsen. In den wendigeren Kakajs fahren wir die Rapids vor und suchen die "Chicken Line".
Auf den langsamen Flussabschnitten winken uns immer wieder Kinder ihr freundliches „bye , bye….“ zu. Wenn wir anlanden, werden wir sofort von einer Schar Kinder umringt. Die Alten sind zurückhaltend, aber neugierig. Beim morgentlichen Packen werden wir von den Reisbauern und ihren halbnackten Kindern beobachtet. Wir haben noch Zeit bis die Nepalis das Gepäck und die erworbenen Hühner in die Rafts verladen haben und bestreiten mit den Kindern ein kleines Fussballspiel mit den schnell aufgeblasenen Luftballons.
Wir erreichen die Mündung des von Mike Jones erst befahrenen Dud Kosi, der seinen Ursprung am Fuße des Everest hat. Seine „Sturzfahrt vom Everest“ habe ich verschlungen. Nun schwimmt mein Kajak in seinem Wasser weiter in die indische Tiefebene.
Zum heutigen Abendessen besucht uns das nahe liegende Dorf. Die Männer tanzen, Frauen und Kinder singen und auch wir bewegen uns zu ihrer Freude rhythmisch nach den von unseren Freunden geschlagenen Holztrommeln. Unter einem Meer von Sternen tauchen wir in der klaren Nacht in die Milchstraße ein und lassen die vergangenen Tage in Gedanken vorbei ziehen. Morgen liegt der schwierigste Flussabschnitt vor uns.
Vorbei an hohen Felswänden paddeln wir durch sich überschlagende drei Meter hohe Wellenkämme. Immer wieder bricht eine Wasserwand über uns zusammen. In den über zwei Meter breiten Kehrwassergrenzen werden die Kajaks in dem pilzenden Wasser komplett unter Wasser gedrückt. Über Kilometer wechselt sich ein Rapid mit dem nächsten ab. Erst als wir die Schlucht verlassen, nehmen die Schwierigkeiten ab. Zwei Tage früher als geplant erreichen wir schließlich unsere Ausstiegstelle und die naheliegende Straße.
Flussführer und Informationen
1. Tag: Nach dem Einsetzen schlängelt sich der Fluss gemütlich durch die Landschaft. Keine nennenswerten Wildwasserschwierigkeiten.
2. Tag: Erste WW III-Stelle. Ein 2 m dicker Felskiesel am Beginn einer Flussschnelle. Später leichte Schwälle.
3. Tag: Eine weitere wasserreiche WW III-Stelle weckt uns aus der Flusswanderung. Durch Zuflüsse, wie zum Beispiel dem Tampa- Kosi, nimmt die Wassermenge ständig zu.
4.-Tag: Mehrere Stromschnellen WW III und IV. Danach Schwälle kurz hintereinander WW IV. Achtung!
Riesiges Loch mit Hauptströmung, die ins Loch hineinzieht. "Hakapur-Schnellen".
5. Tag: Nach einigen leichten Schwällen WW V-Katarakt. Rechts ist ein Bergrutsch zu sehen und auf der linken Seite engt das Geschiebe eines Zuflusses das Bachbett ein. In der Hauptströmung eine Serie riesiger Walzen und 2 bis 3 m tiefe Löcher - man kann links umtragen. Die Hauptschwierigkeit besteht darin, bei stärkerer Strömung an einer Anzahl großer Blöcke vorbeizufahren, ohne in die Hauptströmung mit den riesigen Löchern abgetrieben zu werden. Dudt-Kosi- Einmündung: Danach zwei weitere kräftige Stromschnellen WW IV.
6. Tag: Einmündung des Sapsup Khola. Der Fluss durchfließt ein steiles V-Tal. (Ist in den Karten als breiter Fluss falsch eingezeichnet). Ein Wasserschwall nach dem anderen folgt mit hohen Wellen. Es macht riesigen Spaß von den 2 m hohen Wellen hochgeschleudert zu werden.
7. Tag: Weite Strecken auf schneller Strömung ohne Stromschnellen. Später zwei kräftige Katarakte WW IV mit hohen Wellen.
8. Tag: Beginn auf ruhigem Wasser. Eine längere kräftige Stromschnelle. Einmündung des Arun, kurz danach die
des Tamur.
9. Tag: Letzte Durchbruchstelle vor der Tiefebene. Sehr schnelle Strömung ohne Wellen.
Reisetipps

In Kathmandu findet man zahlreiche Raftunternehmen, die auch zum Teil Kajaks vermieten. Die Ausrüstung der Kajaks ist jedoch zum Teil nicht vorhanden oder defekt. Es empfiehlt sich daher neben der kompletten Paddelausrüstung auch Spitzenbeutel und Spritzdecke selbst mit zu bringen. Die Royal Nepal Airlines fliegt zweimal wöchentlich von Frankfurt aus nach Kathmandu. Im Inland kann man sich gut mit Taxen und Bussen bewegen. Boote werden auf den Dachgepäckträgern mitgenommen. Innlandflüge sind dagegen sehr abenteuerlich.
Hervorragende Flussbeschreibungen bietet das Buch
"White water Nepal" von Pete Knowles.
Das Hotel sollte in Kathmandu schon vor der Ankunft gebucht sein. Wir haben uns sehr wohl im
"Kantipur-Temple House Hotel" gefühlt und sind von dort aus zu unseren Flussbefahrungen aufgebrochen.
kantipur@tmplhouse.wlink.com.np
Die beste Jahreszeit zum Reisen bietet der Herbst. Ostern kommt man in den Genuss des Neujahrsfestes. Allerdings kann früh einsetzender Monsumregen schnell zu unfahrbaren Wasserständen führen.
Als weiteres bietet sich eine Befahrung des Trisuli und des Kali Gandaki an. Besonders anspruchsvoll ist die logistische Planung bei einer Befahrung des Sun Kosis. Außer Reis, Eiern sowie dem Kauf von Hühnern oder gegebenenfalls einer Ziege müssen Lebensmittel auf der beschriebenen Tour mitgeführt werden. Hier sollte man sich einer geführten Rafttour anschließen. Zeltgepäck und Lebensmittel haben wir so in den Rafts transportiert.
Wir haben die Tour mit Victoria River Tours organisiert.

Immer wieder werden wir gefragt, warum wir das tun ?
Da halte ich es wie Mike Jones in seinem Buch
"Sturzfahrt vom Everest" :
"Ist es Neugier ? Oder Herausforderung ? Sicher gibt es psychologische und philosophische Antworten. Meine ist nicht besonders tiefgründig :
Man kriegt die Idee, man macht einen Plan, man organisiert und führt ihn aus und man zieht aus allem eine große Befriedigung. Aber im Grunde genommen ist es so, wie die Bergsteiger es ausdrücken, wenn sie gefragt werden, warum sie diesen Berg erklimmen:
............weil er da ist und mich begeistert"